Vor 100 Jahren, am 27. Februar 1925, wurde Egidius Braun im heutigen Stolberg bei Aachen geboren. Der 2022 verstorbene DFB-Ehrenpräsident prägte über Jahrzehnte die Geschicke des Fußballs insbesondere am Mittelrhein. Sein Vermächtnis, zu dem das Gespür für soziale und gesellschaftliche Belange gehören, ist dort noch immer äußerst lebendig.
Es gibt Sätze, die fangen viele Jahre des Schaffens perfekt ein. Egidius Braun gehört zu jenen Menschen, denen es gelungen ist, so einen Satz, der einem Brennglas gleicht, in eigener Sache zu formulieren. „Als Kind wollte ich immer Lokomotivführer werden, jetzt bin ich Weichensteller geworden“, hat der 2022 verstorbene Ehrenpräsident des DFB einmal gesagt und damals vermutlich vornehmlich das Hier und Jetzt gemeint. Inzwischen haben diese Worte ein anders Gewicht. Denn Braun hat ein Vermächtnis hinterlassen, Weichen gestellt – auf internationaler Bühne, in Deutschland und insbesondere am Mittelrhein. „Egidius Braun ist eine der prägenden Persönlichkeiten des DFB in der Nachkriegszeit. Er hat die soziale Verantwortung als dritte Säule in der DNA des DFB verankert. Für alles, was er geleistet hat, sind wir ihm zu großem Dank verpflichtet“, so DFB-Präsident Bernd Neuendorf, der in seiner Zeit als FVM-Präsident kennenlernte, wie das Wirken Brauns den Fußball am Mittelrhein auch Jahrzehnte später noch in soziale Bahnen lenkt.
Der 27. Februar ist ein guter Tag, um sich Brauns Wirken vor Augen zu führen. Denn an jenem Tag, im Jahr 1925, kam er im heute zu Stolberg gehörenden Breinig bei Aachen zur Welt. Er wurde ein Kind des Fußballs am Mittelrhein, den er über Jahrzehnte prägte und auch nicht aus den Augen verlor, nachdem er 1992 zum DFB-Präsidenten geworden war.
Den FVM nie aus den Augen verloren
„Er hat den FVM immer im Blick behalten“, betont Walter Schneeloch, FVM-Ehrenmitglied und Angehöriger des FVM-Ältestenrats. Rund ein halbes Jahr agierte Schneeloch zusammen mit dem späteren FVM-Präsidenten Karl-Josef Tanas als Brauns Stellvertreter an der Spitze des Verbandes, ehe Letzterer die Führung des DFB übernahm. „Er war ein sehr heller Kopf und er wusste, was er wollte. Egidius Braun hat dafür gesorgt, dass der FVM auf einer finanziell soliden Basis stand“, schaut Schneeloch zurück. Braun habe aber auch immer über den Tellerrand hinausgeschaut und den Fußball als Brücke genutzt, um soziale und gesellschaftliche Probleme anzupacken.
Wolfgang Watzke, langjähriger Geschäftsführer der DFB-Stiftung Egidius Braun, kann diese Einschätzung unterschreiben: „Egidius Braun zeichnete stets neben einer kritischen Analyse der Wille zu entschlossenem Handeln aus, mit unmittelbaren Folgen: Kostenlose Lehrgänge in Hennef wurden erfunden, um junge Arbeitslose zu motivieren und ihnen das Erlebnis Sport – nicht nur Fußball – nahezubringen, Selbstbewusstsein zu tanken. Die Bundesliga, die Nationalmannschaft und internationale Spieler wurden aktiviert. Unter dem Motto: „Mein Freund ist Ausländer“ gab es nach dem entsetzlichen Brandanschlag von Solingen ein Benefizspiel – die Geburtsstunde der Benefiz-Länderspiele.“ Egidius Braun habe einfach angepackt und gemacht und andere motiviert, besonders die Nationalspieler, so Watzke. „Wir müssen Fußball überall da einsetzen, wo er für die Gesellschaft etwas bewegen kann, das war seine tiefste Überzeugung“, stellt Watzke klar.
Begonnen hat Brauns Werdegang beim SV Breinig
Begonnen hatte Brauns sportliche Karriere im Alter von 13 Jahren als Spieler beim SV Breinig. Nach Abitur, Militärdienst und Gefangenschaft studierte Braun Rechtswissenschaften und Philosophie und machte sich mit dem Unternehmen „Kartoffel-Braun“ selbständig. Nebenbei spielte er Fußball in der ersten Mannschaft des SV Breinig, dessen Vorsitz er von 1956 bis 1959 sowie von 1960 bis 1961 innehatte. 1971 avancierte er zum Vorsitzenden des Fußballkreises Aachen, 1973 zum Präsidenten des Fußball-Verbandes Mittelrhein. Eine Funktion, die er fast zwei Jahrzehnte innehatte. Später (1977) wurde Braun DFB-Schatzmeister, ehe er 1992 die Führung des DFB übernahm. Der Kontakt zum SV Breinig aber ging nie verloren. „Er ist dem Verein immer verbunden geblieben und war immer interessiert an den Ergebnissen der Mannschaften“, sagt Dieter Jollet, Ehrenvorsitzender des Klubs.
Diese Verbundenheit bescherte dem SV besondere Erlebnisse. So vermittelte Braun 1997 zur Eröffnung des Breiniger Rasenplatzes ein Testspiel gegen den frischgebackenen UEFA Champions League-Sieger Borussia Dortmund. „Er rief mich ein paar Tage vorher an und sagte, die Dortmunder kommen zu Euch. Das war typisch für ihn und toll für den Verein“, so Jollet. Im Jahr 2000 absolvierte dann, ebenfalls dank Brauns Vermittlung, sogar die Nationalmannschaft während der UEFA EURO in Belgien und den Niederlanden eine Trainingseinheit auf der Breiniger Anlage. „Ich war damals A-Junior und als Platzordner hautnah dabei“, schaut der heutige Vereinsvorsitzende Thorsten Meier zurück. Inzwischen wurde auch die Straße eines Wohngebiets, das auf dem Areal der ehemaligen Platzanlage errichtet wurde, nach dem DFB-Ehrenpräsidenten benannt. Der Vorsitzende hat noch ein ganz persönliches Andenken an Braun: Eine Chronik des DFB, die der wohl bekannteste Breiniger Meiers Opa zu dessen 80. Geburtstag schenkte. „Das war im Jahr 2000. Er war mit meinem Großvater befreundet und kam zum Geburtstagskaffee vorbei“, erinnert sich Meier. Ihn hat Braun stets beeindruckt. „Er war authentisch, ehrlich und hat für seine Botschaft gekämpft, dass Fußball eben mehr als ein 1:0 ist.“
Egidius Braun schuf eine Kultur des wertschätzenden Miteinanders
Das weiß auch Alfred Vianden, von 2007 bis 2019 FVM-Präsident. Er hat Braun lange Jahre begleitet. „Für mich war er ein väterlicher Freund und Fürsprecher“, stellt er klar. Brauns Engagement und Begeisterung für den Fußball habe viele Facetten gehabt. „Er war begeisterter Spieler, hat später den Fußball-Verband Mittelrhein groß gemacht und dort eine besondere Kultur des Miteinanders geschaffen und das Ehrenamt gefördert“, erklärt Vianden. Diese Kultur, die er schuf, ist noch immer spürbar, der große Hallenkomplexes der Sportschule Hennef, der unter seiner Regie entstand, sogar sichtbar. „Er war aber außerdem ein Mensch, der sein Christsein gelebt hat und sonntags in der Kirche Orgel gespielt hat“, so Vianden. Braun habe den DFB weiterentwickelt und gelitten, wenn mit der Nationalmannschaft oder in deren Umfeld etwas schieflief.
Dieser Tatendrang fand noch weitere Bühnen: Braun wurde neben seiner Tätigkeit beim DFB zum Vizepräsidenten und Schatzmeister der UEFA, zum Vorsitzenden der Organisationskommission der Europameisterschaft 1996 in England und Mitglied der Organisationskommission für die Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich. Für sein Wirken erhielt er zahlreiche Auszeichnungen – darunter das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband sowie den Verdienstorden des Landes NRW. Am 28. April 2001 endete seine Zeit als DFB-Präsident. Er war 70 Jahre mit seiner Frau Marianne verheiratet, die 2020 starb. Am 16. März 2022 verstarb Egidius Braun im Alter von 97 Jahren in Aachen. Das Ehepaar hinterließ zwei Söhne.
Christos Katzidis: Egidius Braun ist für alle ein Vorbild
“Egidius Braun war in jeglicher Hinsicht für viele im Fußball und insbesondere uns im Fußball-Verband Mittelrhein ein Vorbild und er ist es auch noch heute. Fast zwei Jahrzehnte war er bei uns im Verband tätig. Er war es, der mit seinem Know-How in entscheidendem Maße mit dafür verantwortlich, dass während seiner Amtszeit die Mitgliederzahl auf mehr als 200.000 Mitglieder verdoppelt werden konnte. Er war aber auch ein Fürsprecher für die Vereine, setzte sich dafür ein, dass Kinder und Erwachsene in ihren Vereinen nicht nur eine sportliche, sondern auch eine soziale und gesellschaftliche Heimat hatten”, erklärt FVM-Präsident Christos Katzidis. Egidius Braun war es auch, der sich im besonderen Maße auch beim DFB erfolgreich dafür eingesetzt hat, das soziale Engagement als dritte Säule in die DFB-Satzung aufzunehmen. Die Kampagnen „Mein Freund ist ein Ausländer“ und „Keine Macht den Drogen“ wurden ebenfalls von ihm initiiert. “Wegen seinem herausragenden sozialen Engagement verleihen wir als Fußball-Verband Mittelrhein seit 2010 alle drei Jahre den Egidius-Braun-Preis für besonderes soziales Engagement an Persönlichkeiten, die sich in diesem Bereich besonders engagiert haben. Wir sind froh, dass es so viele Menschen im Fußball gibt, die die gleichen Werte wie Egidius Braun leben”, so Katzidis weiter.
Weitere Informationen um Egidius-Braun-Preis finden Sie hier.